Malte Wandel: an Italy is an Italy is...

Malte Wandel: "Hotel Italia", Fotografie s/w 2016

Wieviel wissen oder meinen wir vor einer Fotografie? Was sehen wir ohne Erläuterung, Hinweise, Titel? Malte Wandel scheint die Frage überdeutlich zu schärfen, indem er seiner Fotoarbeit, die (unter anderem) ein beschildertes Hotel zeigt, den Titel "Hotel Italia" gibt

Hotel Italia, verspricht der Titel nicht Klischee pur? Strand, Meer, blauer Himmel, plus die Steigerung: "dolce vita"? Wandels Arbeit ist eine Schwarzweissfotografie. Sie zeigt ihr Sujet nahezu schattenlos, offensichtlich handelt es sich um eine Aufnahme bei diesigem Wetter: den Himmel bildet ein helles Grau, praktisch ohne jede Struktur. Dort hinein ragt, wie gestanzt, ein unregelmässiges Gehölz verschiedener Baumarten. Zwischen ihnen prägt sich in einer V-förmigen Lücke ein Bau wie ein Klotz ab. Ein Schild auf dem Gebäudedach weist diesen als "Hotel" aus.

Keine Menschenseele, kein Auto, kein Getier. Der Bildvordergrund zeigt eine in zwei unterschiedlichen Grautönen unregelmässig strukturierte Asphaltfläche. Sie ist aufgebrochen, an wenigen Stellen spriesst dürres Gras aus dem schadhaften Belag. Was ist das: Parkplatz, Strasse, Weg? Die aufgeworfene Oberfläche bietet sich dar wie eine See, deren erstarrte Wellen gegen den Strand auslaufen; ausgelaufen wären, wenn es sich denn um das Meer und den Strand unserer Klischee-Erwartungen handelte...

Wandel zeigt keine liebliche Natur, nicht den sprichwörtlichen locus amoenus, zu dem die Romantiker aufbrachen ins Land "wo die Zitronen blühen", während in Westeuropa bereits die Industrialisierung ihre Wunden allenthalben in die Landschaft trieb. Das Hotel, das als Hotel qua Beschriftung ausgewiesen ist, verheisst Reisenden auf Zimmersuche kein "dolce vita". Eher spricht hieraus, was Dante in seinem kantigen Florentiner Idiom als aspro e duro, bitter und hart, bezeichnet hätte.

Die Fotografie setzt den Ausschnitt von Himmel, grau wie geschmolzenes Zinn, und der versehrt sich darbietenden Asphaltlandschaft so, dass sich beide nach den Seiten ausserhalb des Bildausschnitts endlos ausdehnen könnten. Gehölz und Hotel, in der Vertikalen und Horizontalen zentriert, bieten sich dar wie eine Insel; keine der Verheissung, sondern eine, der man nicht wird ausweichen können, oder eine solche, die einen aufnimmt, wenn allemal und anderswo etwas Schlechteres zu erwarten ist.

"Hotel Italia" spielt mit und dementiert unser Vorwissen und Vormeinen. Signatur und (abgebildete) Signaletik verstricken uns ins 'schon gesehen, schon gewusst'. Und bezeugen dadurch paradoxerweise dem nicht abbildbaren realen Ort, dem realen Italien jenen Respekt, der aller gelebten Alltäglichkeit zukommt.

 

Alle Rechte für den Text: logo / für die Reproduktion: Malte Wandel