TROPISMEN

TROPISMEN: Marie Irmgard Birkedal, Greta Magyar, Bertold Mathes, Nicole Wendel
Anfangsdatum
Enddatum
Öffnungszeiten
Besuch der Ausstellung nach vorheriger Terminvereinbarung | Visits by appointment only: contact@galerie1214.com
Vernissage
upon notice
Ort
Galerie1214 Bad Dürrheim
Adresse
Stammstr 12
D-78073
Stadt
Bad Dürrheim

TROPISMEN

TROPISMEN
Dieser Katalog versammelt einen Querschnitt von Positionen, denen die Galerie1214 in den vergangenen Jahren mit Installationen in Berlin und Bad Dürrheim Raum geben durfte und die sie aktuell präsentiert. Wie es immer auch Künstlerinnen und Künstler bei vorangegangenen Ausstellungen hielten, so haben wir uns für diese Präsentation ebenfalls einen Titel in fremdem Terrain entliehen: „Tropismen“.
Dabei kann es, wie so oft, gerade die Entlegenheit einer solchen Entlehnung sein, die die Arbeiten in eine offene Gedankenbewegung hineinnimmt: Mit dem Begriff Tropismus beschreibt die Biologie die Optimierungsbewegungen von Organismen in Hinsicht auf Licht, Wärme und Nährstoff. Gemeint ist das stetige feine „Nachjustieren“ von Lebewesen in ihrer jeweiligen Umgebung, wozu auch die Expressionen der Umwelt und Mitwelt gehören. Eine Pointe dieses Verständnisses ist die Gegenüberstellung von sich selbst genügenden Einheiten und immer schon symbiotischen Ordnungen und Mustern. Werden jene durch die Pole Verschiedenheit und Selbstheit festgelegt, so sind diese charakterisiert durch ein Wechselspiel von Abgrenzung und Öffnung, vermittelt über das spontane Wirken des Sensoriums und das Auffangen in der Reflexion.

PRIMÄRERLEBNIS LICHT
Johann Wolfgang von Goethe hat mit der oft zitierten und auch umstrittenen Formel von der Sonnenhaftigkeit des menschlichen Auges* die Einschätzung umschrieben, dass ein Tropismus wie der des Auges zum Licht nicht in einer rein materialistischen Vorstellung wie dem Reiz-Reaktions-Schema aufgeht, sondern ein Halteseil für unser
Verständnis gleichsam aus zwei Strängen dreht: der eine führt über die Sinneserfahrung, der andere über (oft langwierig) vermittelte kulturelle Konzepte. Obschon – um beim Beispiel des Lichts zu bleiben – die Sonne in jahrtausendelangen Begriffsstrategien in Riten wie zum Beispiel „Gott Ra“ integriert, als „Himmelskörper“ abstrahiert oder schließlich als „Wasserstoff fusionierender Zwergstern“ klassifiziert wurde, bleiben für uns spontanleiblich Licht und Wärme gleichursprünglich zum Wissen über als Primärerlebnis zugänglich, dem die Kunst nachspürt: in der Zeichnung als erkenntnisstiftender Dialog von Kontur und Fläche, in der Raumillusion als Ordnung suchende Dimensionierung und in der Farbe als Korrelat unausschöpfbarer emotionaler Schattierungen.

NULLPUNKT DER FREIHEIT
Sich auf etwas außer uns zu orientieren, schafft eine Art Spannung, wie die positive muskuläre Spannung als Ursprung einer auf sie folgenden Bewegung. Sie erfüllt ihren Sinn zwar durch ihre Auflösung, aber sie behält in der Kunst ein eigentümliches Echo: Was im Werk nachwirkt, übt eine besondere Anziehung aus, wie uns nach einer Performance der Nachhall ihrer Choreographie interessieren kann. Sobald die Kunst gemacht ist, darf sie in der Situation der Betrachtung als „Nullpunkt“ (Roland Barthes) der Freiheit des Empfindens und Schaffens seitens der Produktion, wie auch des Sehens und Empfindens seitens der Betrachtung akzeptiert werden.

MANIFESTATION DER SERIE
Gewiss sagt die Machart etwas über den Geist der Auswahl der Werke, der sich für die kreatürliche Qualität des Machens interessiert: Sie geht aus vom Geschehen der Gestaltung, das selbst immer einen Ausgangspunkt hat, und folgt den Spuren, die zeigen, wie das Machen sich an Fremdes verliert, um das Eigene wiederzufinden – doch, frei nach Bertolt Brecht, an einem anderen, unvermuteten Ort.
Wenn wir nicht (vermeintliche) Natur für die Kunst eintauschen, dann deshalb, weil
diese im Unterschied zu den naturgegebenen Tropismen nicht nur eingebunden ist in künstlerisches Schaffen, sondern als verständliche gesellschaftliche Praxis förmlich ihren Sinn darin hat, dass freie Expression und Disziplin sich ineinander spiegeln. Kunst ist geradewegs definierbar durch das Verfahren, gestaltende Spontaneität und Reflexion in arrangierten Szenarien der Selbsterfahrung sich aneinander abarbeiten zu lassen. Kurz gesagt: Die Reflexion ist schon im Bild. Jedes Bild steht als Werk für sich, aber für die Betrachtung hat es einen speziellen Reiz, die Koordination von Anspannung und Entspannung in der seriellen Variation von Techniken oder motivischen „Vorwürfen“ zu verfolgen oder sich auf die Permutationen des Alphabets der Koloristik einzulassen: Künstlerische Praxis ruft für uns die Elementargeister herbei, überlässt sich deren Spiel und orchestriert sie doch zugleich.

DANKSAGUNG
Das Projekt Tropismen wird gefördert durch die Stiftung Kunstfonds im Rahmen des von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien initiierten Hilfspakets NEUSTART KULTUR. Hierfür sagen wir der Stiftung und ihren Juror*innen Danke!